Saturday, December 6, 2008

Groupe de Parole und Sonstiges

So liebe Leute, zu aller erst mal eine Ankündigung: hab meinen Flug vorverlegt, aus organisatorischen Gründen, würd eigentlich gern bleiben, aber es ist ja nur ne Woche… fliege also am 17ten schon in München ein… gegen 9, oder 10, da streiten sich die Geister noch.

Wer sich jetzt denkt, dass es sich hierbei um einen Wink mit dem Zaunpfahl handelt sei hiermit von seinem Irrweg abgebracht, vielmehr ist es ein deftiger Hieb mit der Eisenbahnschwelle!

Frohen Nikolaus übrigens!

Ansonsten ist business as usual, viele Sachen passieren für mich zum letzten Mal, was mich schon ein bisschen traurig macht. Hab viel Unvergessliches erlebt hier und dieses Land und seine Leute hören nie auf, mich in Erstaunen zu versetzen.

Da fällt mir ein, an alle die vorhaben, eine Spende zu machen, wenn ihr das machen wollt solang ich noch hier bin müsst ihr euch beeilen. Ansonsten sind wir neuerdings auf einer sehr tollen Site vertreten, namens betterplace.org . Da kann man Projekte drauf stellen, die in einzelne „Bedarfe“ aufgeteilt werden, was für den kleinen Geldbeutel echt praktisch ist und wo man trotzdem das Gefühl hat, sinnvoll beitragen zu können. Vielleicht habt ihr ja Lust, euch das mal anzuschaun. Wir haben ein Projekt über Milchpulver, eins für eine Dame die gern geräucherten Fisch verkaufen würde, eines für unseren Ausflug mit den Kindern an den Strand usw. Ihr könnt per Kreditkarte und ähnlichem spenden und jede Spende wird zu 100% an uns weitergeleitet. Ist echt ein nettes tool, zieht’s euch rein.

Was noch? Donnerstag war meine letzte Groupe de Parole für Erwachsene, einmal im Monat treffen sich unsere HIV/AIDS-Patienten, kriegen ein Exposé zu einem HIV-bezogenen Thema, richtige Ernährung, Stigmatisierung… und dann essen alle gemeinsam. Da dies die letzte Groupe dieses Jahres war, lief die ganze Geschichte etwas anders ab, Antoine hat seine Stereoanlage aufgebaut und die Leute haben abwechselnd von ihren Erfahrungen mit ihrer Krankheit im letzten Jahr gesprochen (leider in Ewe, hätts gern verstanden) und nach zwei, drei „témoignage“ gab’s für 20 minuten oder so Musik… da Togolesen im Gegensatz zu Europäern nicht mit einem Stock im A… zur Welt kommen ist das für die Hälfte der Leute das Signal, aufzuspringen und anzufangen zu tanzen… und mitsingen tun alle!

Wer so was noch nie gesehen hat, macht sich keine Vorstellung davon wie es ist, diesen Menschen zuzuschaun, mit ihnen zu lachen, zu reden, zu tanzen und zu singen… so unglaublich viel Lebensfreude und Vertrauen, auf den Gesichtern von 55 Menschen, die im Endeffekt alle dem Tode geweiht sind. Manchen siehst du es kein bisschen an, andere sind so offensichtlich krank, dass du dich fragst, wie sie überhaupt noch aufrecht sitzen können. Und jeder Einzelne von ihnen hat in diesem Moment sein Leben, die Musik und die Gesellschaft der Anderen mehr genossen, als ich das jemals in Europa oder den USA gesehen habe. Schämen sollten wir uns, dafür dass wir unser Leben damit verschwenden, uns über Dinge aufzuregen, den verdammten Keller zu putzen, oder abends beim weggehen ja gut auszusehen und sich jaaaa keine Blöße zu geben… wir werfen unser Leben zum Fenster raus, indem wir uns über unseren Ruf Sorgen machen, oder darum was sich gehört und was nicht… bullshit! Schaut euch an, was aus uns geworden ist, die Mehrzahl aller Leute muss sich zusaufen, um lockerer zu werden und in der Lage zu sein, sich mal „gehen zu lassen“, im Sinne von dumm auf der Tanzfläche rumwackeln und cool ausschaun. Geht jedem so, also kann es nicht verkehrt sein, oder?

Vielen Dank, aber da trink ich lieber Bizap mit Menschen, die dem Tod nahe genug sind, um das Leben schätzen zu können und sich einen Scheißdreck drum kümmern, wie laut sie lachen, oder wie falsch sie singen.

Ehrlich gesagt, ich hab Angst davor, wieder nach Europa zurück zu kommen. Nach allem, was ich hier unten gesehen habe, wird mir Leben in Deutschland wahrscheinlich noch viel mehr auf den Magen schlagen als vorher. Viele Leute die hier unten waren haben mir von der Hilflosigkeit erzählt, die sie verspürt haben, angesichts des vielen Elends und der eigenen Machtlosigkeit. Mir geht es genau andersrum, hab ich glaub ich schon mal gesagt. Hunger kann ich lindern, indem ich zum Geier losziehe und einen Sack Reis kaufe. Aber was macht man mit Menschen, die alles haben und trotzdem nicht glücklich sind, weil sie es nicht zu schätzen wissen? Wie hilft man so jemandem? Und wie genau verhindert man, dass man die Wut und die Hilflosigkeit, die man angesichts dessen verspürt, nicht laut rausbrüllt, weil man es nicht mehr aushält?

Jeder, der jetzt unruhig auf seinem Stuhl rumrutscht, soll sich hiermit von mir gratuliert fühlen, glaubt mir, mir geht es genauso. Ich habe so viel meines kurzen Lebens damit verschwendet, unglücklich zu sein, mir wird schlecht wenn ich nur daran denke. An diesen Punkt gehe ich ganz sicher nicht zurück, allein schon weil ich damit den Leuten hier ein Messer in den Rücken rammen würde. Was für einen Grund in aller Welt habe ich, nicht der glücklichste Mensch der Welt zu sein? Gar keinen, so ist das nämlich. Hiermit hab ich mich selbst in den Hintern getreten und fordere euch auf, das Gleiche zu tun… meine persönliche Anleitung zum Glücklichsein lautet: hört auf, unglücklich zu sein!

Beste Grüße aus Togo von Hansine im Glück.

6 comments:

Eli said...

Oh, oh... ein Woche früher??!! Naja, mal sehen wie sich das machen lässt :) Freu mich schon dich wieder zu sehen :)

caro said...

Gleichfalls!

Unknown said...

Ach, ist das ein schöner Blogeintrag! Hansine, vielen Dank für solch weise Worte, ich werde sie mir zu Herzen nehmen. ;-)
Auf ein baldiges Wiedersehen, prost! (Scherz) :-)

Liebs Grüßle,
Jenny

Florian Baier said...

Ich hätte noch 2 - 3 Plätze frei für Mittwoch. Wenn wer mitfahren will und keine Fahrgelegenheit hat dann meldet euch :)

Eli said...

Danke Florian... ich bin quasi schon vor Ort, brauch also keine Mitfahrgelegenheit!!

caro said...

Huch, seid ihr aber alle lieb!!!!

Heut abend gehts los, freu mich schon auf euch!!!!
Caro