Tuesday, December 16, 2008

C’est l’Afrique!

Letzter Tag, letzter Post. Na ja, eigentlich ja nicht, heut ist Montag in meiner kleinen Welt, da ich Dienstag Abend fliege hab ich noch mehr als 24 Stunden… aber anfühlen tut sich’s halt danach, gell? Schätze, dass liegt nicht zuletzt am Pack-Chaos um mich herum… man sammelt in vier Monaten eine ganze Menge Scheiß an… und woher kommen all diese Zettel mit Telefonnummern? J
Egal, jedenfalls geht’s dem Ende zu, Abschiedsessen/-trinken reihen sich aneinander, das noch erledigen, hier noch was einkaufen und verdammt: Weihnachten ist ja auch bald!

Am Ende meines USA-Trips hatte ich so viel zu tun, dass ich im Endeffekt noch gar nicht gecheckt hatte, dass es vorbei ist, als ich schon im Flieger saß. Daraufhin hat dann der Kulturschock zurück in good old Europe mit einem Dreschflegel auf mich eingeschlagen und das muss ich kein zweites Mal haben, also nehm ich mir diesmal Zeit mit der ganzen Sache abzuschließen.
Nebenbei hab ich aber auch gar keine andere Wahl, da zwei gewisse deutsche Zivis (Zivildiener, für die Österreicher unter uns) in letzter Zeit zum Volkssport erklärt haben, mich mit den schwierigsten Fragen zu bombardieren, die ihnen so einfallen… - an dieser Stelle vielen Dank dafür- während sie sich über mein Niederbayerisch lustig machen *grrr*

Und wenn ich alles auf einen Punkt bringen muss, fällt mir genau eins ein und vielleicht habt ihr das auch schon an meinen herrlich dezenten Posts gemerkt… die Caro, die den Kontinent verlassen hat, kommt nicht mehr zurück. Wo sie hin ist, keine Ahnung, ich persönlich glaube, dass sie schon aus dem Flieger gepurzelt ist und jetzt irgendwo zwischen Himmel und Sahara rumschwebt (was meine neue Faszination für Greifvögel erklären würde).
Wer denn dann zurückkommt? Darüber dürft ihr euch selbst ein Bild machen, anders wirds nich… meiner bescheidenen Meinung nach: die neue, verbesserte Caro!
Befreit von einer ganzen Menge mentalem Ballast, wie zum Beispiel dem Irrglauben, dass man zum Kochen einen Herd braucht… oder das Leben zu viert in einem 9qm Zimmer nicht lebenswert ist… und um einiges an Wissen reicher, speziell über mich selbst. Die Menschen hier haben mir viel über mich selbst beigebracht, mit ihrer herzlichen, unverblümten Art. Vier Monate unter Menschen zu verbringen, die sich nicht verstellen und nicht versuchen, cooler zu wirken als sie wirklich sind, ist eine unglaubliche Wohltat und lässt einen regelrecht aufatmen.

Auf der anderen Seite hab ich aber auch viele Sachen gesehen, von denen ich nicht unbedingt möchte, dass irgendjemand sie sich abschaut. Frauen, die das Haus nur fürs Einkaufen und zur Kirche gehen verlassen dürfen, ein Testverfahren für ein Stipendium, bei dem du nur durchkommst wenn du Beziehungen hast… fragt sich hier tatsächlich jemand, warum die Leute frustriert sind? Togo gehört zu den LDC’s und das merkt man genau dann, wenn man ein Kind ins Krankenhaus bringt, dort eine Biopsie durchgeführt wird und man EINEN MONAT auf das Ergebnis warten muss!
Wer erinnert sich an das Photo von mir und dem kleinen Komi, das ich rumgeschickt hab? Süss, gell? Kurz darauf ist er an Unterernährung gestorben. Sowohl PDH als auch das Kloster haben sich um ihn gekümmert, Geld aufgetrieben um ihm zu helfen… und trotzdem hatte er keine Chance auf ein Leben.
Eine Arbeitskollegin hat ihr Baby verloren, weil die Krankenschwester zu faul war, eine Patientin zu versorgen, die keine Beziehungen hat.
Warum ich das erzähle, wo es doch hier um ein Resumée geht? Keine Ahnung, wahrscheinlich weil es raus muss. Jetzt wo ich mich drauf vorbereite, wieder in eine Welt einzutauchen wo deine größte Sorge die Planung deines nächsten Urlaubs ist, kommt dieses Gefühl der Ungerechtigkeit und der Schuld wieder. Wenns mir hier zu viel wird kann ich einfach gehen- die Menschen hier haben diese Wahl nicht. Wozu macht mich das? Und hab ich dieses Glück eigentlich verdient? Wieso ich? Zufällig ein paar tausend Kilometer weiter im Süden geboren und vielleicht wäre ich keinen Monat alt geworden.

Was macht dieser Gedanke aus meinem Leben? Und was ist ein Leben überhaupt wert, dass man nicht zu schätzen weiß?
Hier, wo man dem Tod so viel näher ist, fühlt man sich gleichzeitig so viel lebendiger.
Da ist sie wieder, die alte Litanei, das schreib ich jetzt alles zum dritten Mal, oder? Selber Schuld, was müsst ihrs auch lesen… J Bin völlig vom Thema abgekommen, oder vielleicht auch nicht. Jedenfalls: ich komme wieder, ob ihrs wollt oder nicht und was dann passiert wissen die Götter… ich kann es beim besten Willen nicht sagen. Der Titel dieses Blogs ist: Geh, wohin Dein Herz Dich trägt. Mein Herz hat mich nach Togo getragen und einmal da angekommen hat es gesagt: hier kannst du nicht bleiben, hier gehörst du nicht hin. Inzwischen jedoch frage ich mich, ob Afrikas rote Erde und sein unvergesslich weiter Himmel ein Herz das ihnen in die Fänge geraten ist, jemals wirklich wieder loslassen…

Ende.

Saturday, December 6, 2008

Groupe de Parole und Sonstiges

So liebe Leute, zu aller erst mal eine Ankündigung: hab meinen Flug vorverlegt, aus organisatorischen Gründen, würd eigentlich gern bleiben, aber es ist ja nur ne Woche… fliege also am 17ten schon in München ein… gegen 9, oder 10, da streiten sich die Geister noch.

Wer sich jetzt denkt, dass es sich hierbei um einen Wink mit dem Zaunpfahl handelt sei hiermit von seinem Irrweg abgebracht, vielmehr ist es ein deftiger Hieb mit der Eisenbahnschwelle!

Frohen Nikolaus übrigens!

Ansonsten ist business as usual, viele Sachen passieren für mich zum letzten Mal, was mich schon ein bisschen traurig macht. Hab viel Unvergessliches erlebt hier und dieses Land und seine Leute hören nie auf, mich in Erstaunen zu versetzen.

Da fällt mir ein, an alle die vorhaben, eine Spende zu machen, wenn ihr das machen wollt solang ich noch hier bin müsst ihr euch beeilen. Ansonsten sind wir neuerdings auf einer sehr tollen Site vertreten, namens betterplace.org . Da kann man Projekte drauf stellen, die in einzelne „Bedarfe“ aufgeteilt werden, was für den kleinen Geldbeutel echt praktisch ist und wo man trotzdem das Gefühl hat, sinnvoll beitragen zu können. Vielleicht habt ihr ja Lust, euch das mal anzuschaun. Wir haben ein Projekt über Milchpulver, eins für eine Dame die gern geräucherten Fisch verkaufen würde, eines für unseren Ausflug mit den Kindern an den Strand usw. Ihr könnt per Kreditkarte und ähnlichem spenden und jede Spende wird zu 100% an uns weitergeleitet. Ist echt ein nettes tool, zieht’s euch rein.

Was noch? Donnerstag war meine letzte Groupe de Parole für Erwachsene, einmal im Monat treffen sich unsere HIV/AIDS-Patienten, kriegen ein Exposé zu einem HIV-bezogenen Thema, richtige Ernährung, Stigmatisierung… und dann essen alle gemeinsam. Da dies die letzte Groupe dieses Jahres war, lief die ganze Geschichte etwas anders ab, Antoine hat seine Stereoanlage aufgebaut und die Leute haben abwechselnd von ihren Erfahrungen mit ihrer Krankheit im letzten Jahr gesprochen (leider in Ewe, hätts gern verstanden) und nach zwei, drei „témoignage“ gab’s für 20 minuten oder so Musik… da Togolesen im Gegensatz zu Europäern nicht mit einem Stock im A… zur Welt kommen ist das für die Hälfte der Leute das Signal, aufzuspringen und anzufangen zu tanzen… und mitsingen tun alle!

Wer so was noch nie gesehen hat, macht sich keine Vorstellung davon wie es ist, diesen Menschen zuzuschaun, mit ihnen zu lachen, zu reden, zu tanzen und zu singen… so unglaublich viel Lebensfreude und Vertrauen, auf den Gesichtern von 55 Menschen, die im Endeffekt alle dem Tode geweiht sind. Manchen siehst du es kein bisschen an, andere sind so offensichtlich krank, dass du dich fragst, wie sie überhaupt noch aufrecht sitzen können. Und jeder Einzelne von ihnen hat in diesem Moment sein Leben, die Musik und die Gesellschaft der Anderen mehr genossen, als ich das jemals in Europa oder den USA gesehen habe. Schämen sollten wir uns, dafür dass wir unser Leben damit verschwenden, uns über Dinge aufzuregen, den verdammten Keller zu putzen, oder abends beim weggehen ja gut auszusehen und sich jaaaa keine Blöße zu geben… wir werfen unser Leben zum Fenster raus, indem wir uns über unseren Ruf Sorgen machen, oder darum was sich gehört und was nicht… bullshit! Schaut euch an, was aus uns geworden ist, die Mehrzahl aller Leute muss sich zusaufen, um lockerer zu werden und in der Lage zu sein, sich mal „gehen zu lassen“, im Sinne von dumm auf der Tanzfläche rumwackeln und cool ausschaun. Geht jedem so, also kann es nicht verkehrt sein, oder?

Vielen Dank, aber da trink ich lieber Bizap mit Menschen, die dem Tod nahe genug sind, um das Leben schätzen zu können und sich einen Scheißdreck drum kümmern, wie laut sie lachen, oder wie falsch sie singen.

Ehrlich gesagt, ich hab Angst davor, wieder nach Europa zurück zu kommen. Nach allem, was ich hier unten gesehen habe, wird mir Leben in Deutschland wahrscheinlich noch viel mehr auf den Magen schlagen als vorher. Viele Leute die hier unten waren haben mir von der Hilflosigkeit erzählt, die sie verspürt haben, angesichts des vielen Elends und der eigenen Machtlosigkeit. Mir geht es genau andersrum, hab ich glaub ich schon mal gesagt. Hunger kann ich lindern, indem ich zum Geier losziehe und einen Sack Reis kaufe. Aber was macht man mit Menschen, die alles haben und trotzdem nicht glücklich sind, weil sie es nicht zu schätzen wissen? Wie hilft man so jemandem? Und wie genau verhindert man, dass man die Wut und die Hilflosigkeit, die man angesichts dessen verspürt, nicht laut rausbrüllt, weil man es nicht mehr aushält?

Jeder, der jetzt unruhig auf seinem Stuhl rumrutscht, soll sich hiermit von mir gratuliert fühlen, glaubt mir, mir geht es genauso. Ich habe so viel meines kurzen Lebens damit verschwendet, unglücklich zu sein, mir wird schlecht wenn ich nur daran denke. An diesen Punkt gehe ich ganz sicher nicht zurück, allein schon weil ich damit den Leuten hier ein Messer in den Rücken rammen würde. Was für einen Grund in aller Welt habe ich, nicht der glücklichste Mensch der Welt zu sein? Gar keinen, so ist das nämlich. Hiermit hab ich mich selbst in den Hintern getreten und fordere euch auf, das Gleiche zu tun… meine persönliche Anleitung zum Glücklichsein lautet: hört auf, unglücklich zu sein!

Beste Grüße aus Togo von Hansine im Glück.