Friday, September 12, 2008

Solche Tiraden sollt man eigentlich nicht auf die Menschheit loslassen, aber was solls...

Und nun zu den wichtigen Dingen… muahaha

Nachdem ich nun ausführlich über mich und meine Unzulänglichkeiten und ääh-das Gegenteil halt- philosophieren durfte (wer soll mich schon davon abhalten, harr harr), nun noch mein ganz persönlicher Senf zum Leben in Afrika.

Keine Panik, ich habe nicht vor, eine eingestanzte Meinung abzugeben, viel mehr möchte ich ein paar von den Eindrücken in meinem Kopf los werden und ich glaube, dass knapp drei Wochen ein guter Zeitpunkt sind, sich mal über das Bild im Klaren zu werden, dass man sich gemacht hat, um es mit dem zu vergleichen, das man vorher hatte und sich darauf vorzubereiten, dass selbiges in drei Monaten wahrscheinlich wieder ganz anders ausschaut.

Die Reaktionen auf meine Ankündigung, nach Togo zu gehen, lassen sich mehr oder weniger grob in zwei Kategorien aufteilen. Da sind die einen, die s total genial fanden und sich unglaublich für mich gefreut haben, aber der wesentlich größere Teil bestand aus Leuten, die erstmal geschockt waren, manche mehr, manche weniger. Afrika. Was hört man über Afrika. Prinzipiell mal schlechtes, Dritte Welt, HIV/AIDS, Hunger, Armut, Krankheit, Elend, Kriege, Kindersoldaten und so weiter und so fort. Dann gibt’s die guten Sachen, die einem in den Kopf schießen, das Wetter, die freundlichen Menschen, die Musik, die Farben, aber diese Liste scheint begrenzt. Ist es das wert? Sind Trommeln und 40 Grad wert, sich in solche Gefahr zu begeben, sei es nun im Straßenverkehr, oder beim Trinkwasser?

Ganz ehrlich, ich weiß es nicht. Und ich werde mir wahrscheinlich auch erst dann anmaßen, diese Frage zu beantworten, wenn tatsächlich etwas passiert ist, denn ein Risiko ist ein Risiko, ein Nervenkitzel, was wäre das Leben ohne, aber in dem Moment, wo etwas passiert, kannst du erst entscheiden, ob es das wert war, oder nicht.

Also, was war meine erste Reaktion, als ich hier ankam? Schock? Auf jeden Fall. Mein wohlgeputztes Hinterteil hat Dreck und Elend gesehen und erlebt, aber immer nur in Maßen. Es ging ganz sicher nicht unvorbereitet an die Sache ran, aber Vorstellungen, selbst wenn man versucht, sich keine zu machen, treffen in den seltensten Fällen etwas, was auch nur so ähnlich aussieht wie des Pudels Kern.

Durch die Entscheidung, nach Togo zu gehen und für eine kleine, lokale Organisation zu arbeiten, habe ich mich selber genommen, aus allem herausgezogen, was ich kannte und in eine neue Situation hineingesetzt. Ich arbeite hier nicht nur, ich lebe hier. Führe mein Leben und verrichte meine Arbeit neben und mit AIDS-Kranken und Hungernden, ich lebe in einem stallähnlichen Gebäude mit einem Wellblechdach, ich wasche meine Wäsche in einem Eimer, esse Brot und Bohnen, trinke Instant-Kaffee und bin somit insgesamt immer noch um einiges besser dran als die meisten, was Luxus angeht, aber auf einem Level, auf dem ich sagen kann, tatsächlich so gut es einem Jovo auf diese kurze Zeit möglich ist, mit den Leuten, statt neben ihnen zu leben.

Ich halte hier keine Vorlesung über das Leben in Afrika, oder auch nur in Togo, ich habe keine Ahnung vom Leben in Togo, ich kann nur berichten, was ich sehe, was ich fühle und denke. Wer das Gefühl hat, dass ich bullshit von mir gebe, mag vollkommen Recht haben, aber es ist mein bullshit und ich hab ihn gern, deswegen verzähle ich ihn.

Glaubt auch nicht, dass euch dieser Blog in irgendeiner Art und Weise in die Lage versetzt, ansatzweise verstehen zu können, wie das Leben hier so ist, wenn ihr eine Meinung dazu wollt, schwingt euren Arsch zum Flughafen.

Mein ganz persönlicher Gedanke ist, dass ich ein Geschenk kriege, bzw. mir selbst gemacht habe. Ich komme hier an, bin am Boden zerstört ob des Elends, speziell- ja, glaubt es oder nicht- meines eigenen. Das ist doch kein Leben hier. Überall Dreck, Ameisen, der Staub ist überall, fanatische Moskitos, fließend Wasser hab ich mir auch anders vorgestellt. All das ging mir durch den Kopf, meine (trotz aller Denkvorgänge, die die letzten Jahre stattgefunden haben doch sehr europäische/deutsche) Vorstellung von den Grundbedürfnissen eines Menschen wurden genommen und aus dem Zimmer gefegt.

Was tun wenn’s brennt?

Am besten in den nächsten Flieger steigen. Auf die Gefahr hin, dass man sich sein Leben lang in den Hintern beißt, weil man keine 24 Stunden durch gehalten hat? Verlockend, aber nein. Einen Tag musst du schon durchhalten. Und du hältst durch. Und noch einen. Und einen dritten. Und verdammt noch mal auch noch einen vierten. Und dann?

Dann quälst du dich weiter. Und irgendwann, ganz langsam beginnt dir vielleicht- aber nur vielleicht- zu dämmern, dass das, was du als „kein leben“ bezeichnet hast, Leben pur ist. Leben befreit von einem Großteil von Dingen, die sowieso scheißegal sind. Hier redet mich sicher keiner dumm an, wenn ich ein Loch im T-Shirt hab. Niemand schert, dass ich keinen Geldbeutel hab, sondern meinen Ausweis in der Hosentasche rum trage. Es geht nicht darum, ob die braunen Schuhe zur weißen Hose passen, es geht um Familie, um Arbeit, um Lachen und Reden- punkt

Das war es, was ich wollte, das ist es, warum ich weg wollte und schön langsam wird mir das wieder klar. Alle, denen ich gerade gewaltig auf den Schlips trete, weil ihnen diese Sachen wichtig sind, mögen mir vergeben, ich meine jedes einzelne Wort so wie ich es sage, habt mich trotzdem gern, ich euch doch auch.

Ja liebe Leute, es gibt Elend, es gibt Armut, es gibt Hunger und das ist scheiße.

ABER: Im Gegenzug zur landläufigen Meinung der Mehrheit der europäischen und nord-amerikanischen Bevölkerung habe ich nicht das Gefühl, mich seit meiner Ankunft auf einem Kontinent zu befinden, der im Elend versinkt und das Armenhaus der Welt ist. Hier wird gelebt, gelacht, gearbeitet, geweint, geschimpft, ausgelacht, geteilt… genau wie überall auf der Welt und die allermeisten Leute haben alles was sie brauchen (wie viele Leute kennst du, die alles haben, was sie wollen?), haben Spaß am Leben, verbringen ihre Zeit mit Freunden und der Familie und es geht ihnen gut!

Togo kennt mehr Elend als Deutschland oder Österreich, aber Togo kennt auch Glück, Togo kennt Möglichkeiten und wenn man sich die Gesichter anschaut, denen man auf der Straße begegnet, wird man sich früher oder später die Frage stellen, ob die Togolesen nicht ganz einfach das glücklichere Volk sind.

Es gibt Sachen, die ihnen fehlen, aber ein Nike-Outlet-Center gehört ganz sicher nicht dazu. Was fehlt sind Möglichkeiten für diejenigen, die es wie mich in die weite Welt zieht, die wissen und lernen und sehen wollen. Was fehlt ist eine leistbare medizinische Versorgung. Aber das was wir so sophisticated als Wohlstand bezeichnen ist ein „Segen“, den wir meiner Meinung nach getrost behalten können, damit haben wir Europäer an uns selbst schon genug Schaden getan.

Also: Habt Mitleid, nicht zuletzt auch mit euch selbst. Und dann pfeift drauf und genießt euer Leben. Ein kluger Mensch hat vor Ewigkeiten mal zu mir gesagt: Du bist auf der Welt, um glücklich zu sein und andere glücklich zu machen.

Haut rein.

Ende

5 comments:

Unknown said...

Caro, sehr weise Worte - ich versteh was du meinst. Ums jetz WIRKLICH zu verstehen, muss ich also nur noch meinen Arsch zum Flughafen schwingen...worauf du mir richtig Bock gemacht hast, ehrlich gesagt.
Machs gut und dir weiterhin so schlaue Gedanken und vor allem: schön, dass du sie mit uns teilst! :-)

Eli said...

Ich schwing meinen Arsch zum Flughafen morgen früh um 5:00 Uhr, aber ich flieg nach Paris... Naja, zumindest ist die Sprache Gleich... Aber ich wär gern bei dir um die Eindrücke mit dir zu Teilen... Klingt richtig interessant...

caro said...

@eli: das is doch schon mal ein Anfang! Wuensch dir nen tollen Urlaub!
@daria: mir geht grad ganz arg dein lieblings-skype-smilie ab, der mit der sonnenbrille :-)
@jenny: puuh, ja das passiert immer, weil ich ja nich tagebuch schreibe oder so was, und aber trotzdem so viel in meinem hirn rumschwirrt, was da eigentlich raus moechte... deswegen wirds oft persoenlicher/privater als gedacht. Aber irgendwo find ichs auch wieder nich schlecht, sonst wuerd ichs nich machen...

B.G. said...

Hallo Caro, hatte ja garkeine Ahnung wo du unterwegs bist. Ich sitze hier in Rom und rege mich auf, weil meine Wohnung nicht den österreichischen Standard hat. Deine Worte rücken mir den Kopf gerade ein wenig zurecht....grazie!
Alles Gute
Bettina

caro said...

Ungefaehr so hab ich mir das vorgestellt... glaub mir, du schwelgst im Luxus :-) auch wenns dir nich bewusst is. Genau so, wie ich das tue... wuensch dir ganz viel Spass und Abenteuerliches und was du sonst noch so vor hast im schoenen Rom! Ciao bella!
Caro